Besiedlungsgeschichte

Averdunk, Repelen, Neukirchen & Co.


   Nicht nur die Wurst hat zwei Enden.

                    

                          *

 

                                  Repelen ebenfalls

 

Bildquelle Naturmetzgerei Hüsch Repelen, Lintforter Str. 13, 47445 Moers

Diese kurios anmutende Feststellung wird bei der Beschreibung der frühen Geschichte des Averdunkshofes in Neukirchen sicher ein wenig verwundern. Doch sie ergibt einen Sinn, denn die Namensgebung des Averdunkshofes (und damit auch die Vorstellungen über seine Frühgeschichte) kann man sich ohne Repelen und die dortige Siedlungsgeschichte mit den beiden Enden von Repelen nicht zu denken.

 

Dass ein Dorf zwei Enden hat, ist angesichts einer Vielzahl von Straßendörfern, die man überall finden kann, keine herausragende Eigenschaft,      ....................... Aber im Fall von Repelen schon.

 

Repelen ist kein Straßendorf. Nie gewesen.

 

So hat also Repelen dennoch 2 Enden:

 

                                                           Hagend - im Norden gelegen und

                                                           Genend ( Gen End im Süd-Westen)

 

Die beiden Enden liegen sich also nicht einander gegenüber und wenn man gedanklich, oder auch mit dem Bleistift auf einer Karte einen geraden Strich zwischen beiden Enden zieht, so findet man die Dorfmitte nicht auf dieser Linie, sondern weit abseits. Dorfkirche und der mutmaßliche Siedlungsursprung Repelens, der Viegenhof, der mit großer Gewissheit einmal der Sitz der Ritter von Repelen gewesen ist, liegt südöstlich dieser Linie.

 

Wo sind also dann die anderen Enden? Wo sind das südliche und wo das östliche Ende des frühen Dorfes Repelen abgeblieben? 

 

Die Antwort auf diese Frage erschließt sich aus den geologischen und topographischen Gegebenheiten der Zeit, in der das Siedlungsgebiet Repelen erschlossen wurde. Als Enden bezeichnete man offenkundig die Enden des Dorfes, an denen eine Ausweitung der Siedlung verhältnismäßig einfach möglich war, aber eben (noch) nicht stattgefunden hatte. Die anderen "fehlenden" Enden waren die, für die solches nicht zutraf. Dort bestanden naturgegebene Hindernisse der Ausweitung im Wege. 

 

Das "wichtigste" Hindernis war der im Osten gelegene Verlauf der Murse, der als kümmerlicher Rest heute als Moersbach bekannt ist. Zahlreiche Schriften verweisen darauf, dass dieser ehemalige Rheinarm dereinst schiffbar gewesen ist und damit doch erheblich andere Dimensionen aufwies, als das heute vorstellbar ist.

 

Das andere Hindernis - im Süden von Repelen - ist etwas, was ebenfalls mit Wasser zu tun hatte und das sich in den Ortsnamen Rheinkamp und Meerbeck wiederfindet. 

 

In der frühen Besiedlungsgeschichte von Repelen, die mutmaßlich schon vor der Zeitenwende ihren Anfang genommen haben wird, waren diese Bezirke im Süden, entweder gar nicht, oder nur sehr bedingt siedlungstauglich gewesen. Aus der Historie von der Siedlungsgemeinschaft Repelen ist zwar auch ein Ritter von Rheinkamp aus dem Mittelalter belegt, doch dessen Anwesenheit auf dem Erdenrund muss weit nach der Entstehung des Ortskernes von Repelen gelegen haben, da diese Niederung erst im Zuge der Zeit ihren Wasserreichtum verlor. Zu dieser Veränderung werden zwei Faktoren beigetragen haben: 1. Die mehrfach stattgefundenen Rheinverlagerungen und die Trockenlegungen der Niederungen durch die frühen Siedler. 

 

So entstand also Repelen auf der linken Seite der Murse, also des Rheinarms auf dem späteren Grafschafter Gebiet. Die andere, Seite, das östliche Ufer des Rheinarms (oder die "scheel Sigg", wie die Kölner es ausdrücken) wird anfangs auf dem Gebiet des heutigen Ortskerns nicht besiedelt gewesen sein, so dass sich im Norden und Westen die Siedlung-"Enden" und im Süden und Osten die Siedlungs-"Grenzen ergaben. Der östliche Bereich der Murse verfügte offenbar über kein nahe gelegenes Gelände, auf dem sich die Siedler vor Hochwasser in Sicherheit bringen konnten. (Jedenfalls keines, ohne den hochwasserführenden alten Rheinarm Murse zu überqueren.)

 

Was hat das nun alles mit Averdunk zu tun, werden sich die ungeduldigen Leser sicher fragen. Aber es bedarf ganz einfach dieses weiten Ausholens, um zu begreifen, was Averdunk im Kern bedeutet.

 

Setzen wir also die Erklärung fort: 

 

Intelligente Siedler und solche, die keine Suizidabsichten hatten, benötigten in ihrem näheren Umfeld eine Landschaftsform, die sie für ihr Überleben im Fall der Überschwemmungen nutzen konnten und hier kommt die Dong (also der eine Part des Namens "Averdunk") ins Spiel. Hier kommt auch das zur Geltung, was zuvor einfach in den Raum gestellt wurde: Das Fehlen der anfänglichen Besiedlung östlich der Murse. Diese gab es zwar auch, aber eben nicht im nahen Raum Repelens, sondern weiter entfernt und also solche dann als Keimzellen anderer Ortschaften, wie z. B. Homberg oder Baerl. Es können nur solche Ortschaften gewesen sein, die - wie Repelen auch, dank der Dong, die Möglichkeit des Schutzes vor den ständig wiederkehrenden Hochwassern anboten.

 

Es wird Einigkeit darüber bestehen, dass eine Ansiedlung in einem Sumpf  nicht die Idealform gewesen ist. Um seinen (Kern-) Bauernhof zu "begründen" wird es eines verhältnismäßig festen Grundes bedurft haben und auch das zu bestellende Land wird eher nicht der reine Morast gewesen sein. Die Bemühungen, diese Geländeart "Morast", die sich auf dem heutigen Repelener Gebiet befunden hat, in eine zu bewirtschaftende Geländeart umzuwandeln, sind allerorten am Niederrhein und natürlich auch in Repelen anzutreffen. Unzählige Kanäle haben die damaligen Menschen zur Entwässerung gegraben und nach und nach die Landschaft trocken gelegt. Doch diese gewaltigen Bemühungen und unvorstellbaren Arbeitsleistungen waren eben nicht eine Garantie dafür, unbeschadet und unbeeinträchtigt von den Rheinhochwassern überleben zu können. 

 

Die Lebensversicherung für die Repelener war damit die Donk, die sich heute "Dong" schreibt und die keineswegs so, wie es in einer Schrift eines früheren Stadtdirektors von Neukirchen dargestellt, selbst eine Niederung war. Hier irrte der Autor. Aus der Warte der Repelener war die "Dong" durchaus eine Donk und er ist dem gedanklichen Kurzschluss aufgesessen, der sich aus dem Umstand ableitet, dass seit langer Zeit auch das Umfeld der Dong, das ja tatsächlich als Niederung etwas niedriger liegt, als die Dong, (heute) ebenfalls als "Dong" bezeichnet wird.

 

Doch die Topographie des Geländes verrät eben sehr genau, dass es sich bei der Dong eben doch um eine lebensrettende Bodenerhebung gehandelt hat. Es ist wichtig, sich vorzustellen, dass selbst verhältnismäßig kleine Wölbungen im Gelände, die in ihrer Ausdehnung ein gewisses Ausmaß besaßen, diese lebensrettenden Eigenschaften besaßen, die erforderlich waren, um - schlicht ausgedrückt - im Hochwasserfall nicht abzusaufen. 

 

Dass die Niveauunterschiede, die von den Siedlern für notwendig erachtet wurden, keine gewaltigen Größenordnungen haben mussten, lässt sich auch heute noch mancherorts erkennen. So befindet sich in der Nähe des Averdunkshofes der Winkelshof in Neukirchen und zu jenem ist  ein "Wasserhaus" zugehörig, in dem die Bauern das unterbrachten, was bei Hochwasser gefährdet war. Dieses Wasserhaus des Winkelshofes liegt lediglich etwa 2 Meter höher als der Bauernhof. Doch nicht nur mit Wasserhäusern wurde Vorsorge getroffen. Auch bauliche Gegebenheiten auf dem eigentlichen Bauernhof zeigen an, in welchen Dimensionen - auf der Basis vión Erfahrungswerten - kalkuliert wurde. Für den Winkelshof zum Beispiel gilt, dass der Boden der Ställe um etwa 1,5 Meter höher als das Niveau des Hofes liegt. Das geerntete Heu und Stroh wurde ohnehin nicht ebenerdig in den Scheunen gelagert.

 

Die geringen Höhenunterschiede, die in den Zeilen zuvor beschrieben sind, mögen den Leser verblüffen. Doch sie waren in der Regel völlig ausreichend, die Überschwemmungen geringeren Ausmaßes, die sehr häufig stattfanden, zu bewältigen. Wenn heute von den schnell ansteigenden Pegeln des Rheins berichtet wird, dann ist dabei immer zu berücksichtigen, dass dieser Fluss mittlerweile in ein Bett mit seiner Eindeichung eingezwängt ist und der Anstieg des Hochwassers in rapider Weise stattfindet. Doch das war früher einmal für die Neukirchener und Repelener Siedler völlig anders. Die Rheinhochwassermassen hatten in der Zeit vor der Eindeichung, die vor der ersten Jahrtausendwende begonnen hatte, die Möglichkeit, sich über die gesamte Fläche der Niederungen des Niederrheinischen auszubreiten. Damit verteilte sich die Wassermenge auf ein viel größeres Gebiet. Anders ausgedrückt heißt das, dass die Pegel des Rheins und seiner Nebenarme (Murse, Moersbach) nicht so hoch und vor allem nicht so schnell anhoben. Bei Hochwassergefahr in größeren Dimensionen blieb jenen frühen Siedlern aus der Zeit vor der Eindeichung - abgesehen von Extremsituationen, - wie zum Beispiel im Jahr 1346, verhältnismäßig viel Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Und auch die Dong spielte hier unverkennbar eine Rolle für die Repelener. 

 

Entweder siedelte man direkt auf einer Donk, wie beispielsweise in Kapellen die Familienname "Germendonk", Bestendonk" es verraten, oder in Neukirchen "Londong", oder zumindest siedelte man in der Nähe der Donk, wie die Repelener oder dann halt hier nun endlich "Averdonk / Averdunk". Oder man nutze die oben gelegenen Flächens in den Terassierungen, die an manchen Orten der Grafschaft zu finden sind.

 

Ohne es geodätisch überprüft zu haben, wird hier die Feststellung getroffen, dass die Dong, die zwischen dem westlichen Ende von Repelen "Genend" und Neukirchen liegt, das Höhenniveau der Dong höher als das der Wasserhäuser oder der anderen baulichen Schutzmaßnahmen auf den gefährdeten Bauernhöfen ist. Denn auch hier gilt, es sind (in aller Regel) keine riesigen Höhenunterschiede gewesen, die erforderlich waren, um sich und sein Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. Der Dong die Eigenschaft einer Niederung zuzuschreiben, wie es eben in der oben schon erwähnten Schrift geschehen ist, ist nicht schlüssig und auch nicht stimmig. Das erschließt sich alleine schon aus dem Vorhandensein eines heute auf der Dong bekannten Straßennamens: "Am Eckschenberg." Und auch die alte Mühle in der Dong ist ein Beleg. Windmühlen wurden tendenziell doch eher auf höherem Gelände errichtet, als in den Geländesenken. 

 

Wirklich gefährlich wurde es für die Siedler im Grunde erst mit der Eindeichung des Rheins und mit der damit verbundenen Gefahr des Deichbruches, so wie er etliche Male stattfand. Für Repelen, Neukirchen und die sie umgebenden Städte und Ortschaften lag das höchste Gefahrenpotential in Deichbrüchen bei Uerdingen. Wenn dieses Unglück geschah, dann suchte gewissermaßen der Rhein das Flussbett erneut auf, das er vor den frühen Rheinverlagerungen (vor der Zeit der Besiedlungsgeschichte) verlassen hatte. Über diese alten Rheinverläufe in der alten Trasse ergoss sich  dann das Rheinhochwasser in rasend schneller Weise und die Siedler, die sich wegen der Deiche normalerweise recht sicher fühlten, hatten bedeutend weniger Zeit für Rettungsmaßnahmen, als die Menschen, die am Niederrhein vor der Eindeichung des Rheins lebten.

 

 

Doch nach diesem heftigen Ausflug ins Thema Hochwasser,

der zum Verständnis des Hofes Averdunk gehört",

kehren wir zum Anfangsthema dieser Unterseite zurück.

 

Die Enden von Repelen, die Dong und der Averdunkshof

 

 

 

Bildquelle: Stadt Neukirchen

Das nördliche Ende von Repelen ist das Hagend. Dort stieß die Siedlung Repelen an den Waldesrand.

 

Das westliche Ende von Repelen war Genend. Dort endete einfach der dörfliche Siedlungsbereich, ohne dass einer Ausweitung etwas Bedeutsames im Wege stand. In direkter Linie zwischen dem Dorfkern Repelen ("Viegenhof" und Kirche) und dem Averdunkshof in Neukirchen liegen zwei markante und heute als Ortsbestimmung gebräuchliche Begriffe: "Genend" und Dong". Also: Von der Dorfkirche ausgesehen liegt hinter dem Ende "Genend" die Dong und hinter der Dong, weit abseits des Repelener Dorfkerns, der Hof Averdunk. Diese räumliche Anordnung hat zu der etymologischen  Deutung des Hofnamens geführt, die auf der Hauptseite zum Averdunkshof abgebildet ist. 

 

Und genau das wiederum führt in die Frühgeschichte des Hofes, als es in Neukirchen noch keine Kirche gab. Es führt in die Zeit zurück, als diejenigen Menschen, die auf dem heutigen Gebiet Neukirchens lebten, sich nicht als Neukirchener verstehen konnten, da es nicht einmal ein Ortsgebilde gab, das diese Bezeichnung trug. 

 

Das Christentum hatte sich auf der linken Rheinseite früher etablieren können, als auf der rechten. Und zu den frühesten Kirchen in Deutschland gehörte die Repelener Kirche. Die Gläubigen, die ihren christlichen Pflichten nachzukommen hatten, konnten in der Zeit, als der Averdunkshof in Neukirchen entstanden war, diesen in Neukirchen - mangels Existenz einer solchen - nicht nachkommen. Taufen, Hochzeiten und Gottesdienste der Frühneukirchener fanden in Repelen statt. Selbst das später zu einiger Bedeutung herangewachsene Moers (nach dem Auftreten der frühen Grafen) war für die frühen Siedler im späteren Neukirchen ("Nova Ecclesia") noch keine Alternative, denn das Kirchlein im frühen Moers, das ja ursprünglich nur aus dem Butenderp bestanden hat, wird nicht der Anlaufpunkt der Menschen in Neukirchen gewesen sein. 

 

Die Entstehungszeit der Kirche in Moers an der heutigen Rheinberger Straße ist ungeklärt, dürfte jedoch mit einiger Gewissheit nach der Gründung der Kirche in Repelen gelegen haben. Auch Repelen war gewiss keine Zentrum früher germanischer Hochkultur, doch der sich entwickelnde Stadt, die in den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts einmal Repelen "schlucken" sollte, eindeutig um Einiges voraus. Das erschließt sich auch aus den Urkundenbüchern der Grafschaft Moers, in deren ersten Einträgen des ersten Bandes Repelen schon zu finden ist, während die Stadt Moers noch präexistent ist.

 

Die Annahme, dass die "Neukirchener", wie die frühen Averdunks nach Repelen zum Gottesdienst gingen,  ist nicht nur eine schlichte Vermutung, sondern handfest zu begründen. Nachweislich ist die Neukirchener Kirche eine Neugründung der Repelener Kirche. Das Dokument, das das belegt, ist aktenkundig. Damit dürfte auch die pastorale Betreuung für die Neukirchener in den Händen von Repelener Pfarrern gelegen haben. Als Kirche (aus der frühesten Phase der Kirchenerrichtung) hat Repelen für Neukirchen die zentrale Rolle gehabt und der Name Averdunk in Neukirchen lässt sich nur im Zusammenhang mit der Richtungsbestimmung: Repelener Kirche - Genend - Donk sinnvoll deuten. Und dazu gehört auch, dass im Vergleich zu Repelen, dass offenbar schon frühzeitig einen Dorfcharakter im heutigen Sinn besessen hat, Moers ein kleines unbedeutendes Kaff war, während Neukirchen als Dorf noch nicht einmal existierte.

 

Bezeichnend ist die Formulierung zur Gründung der Kirche in Neukirchen. Dort findet die Ortsangabe "in den Flünnen" Verwednung., Das, was da auf den ersten Blick darauf hinzuweisen scheint, nämlich Neukirchen sei ein Ableger von Vluyn gewesen, führt völlig in die Irre. Um diesen Irrtum gleich auszuräumen: Vluyn existierte auch noch nicht. Die Urkunde zur Kirchengründung Neukirchen verweist auf die Landschaftsform, die eben als "sehr durchfeuchtet" zu beschreiben ist. "Flünnen" ist zwar eine Ortsangabe, aber eben auch eine Beschreibung des Geländes, das zum Beispiel auch im Wort "Fleut" wortverwandtschaftlich zu finden ist und auf ein Feuchtgebiet hindeutet.

 

 

Ortsangabe Averdunk

 

Ein anderer - sehr verdienstvoller Heimatforscher, Hermann Thelen, dem ungeheuer viel an Informationen zu verdanken ist, kommt zu einem anderen Schluss, dem man nicht wirklich folgen muss. 

 

Seiner Interpretation nach steht "Averdonk" für "obere Donk". Doch das ergibt in keiner der beiden anzusetzenden Denkmodelle einen Sinn. 

 

 

 

Wollte man dieses Attribut "obere" so deuten, dass es eine höher gelegene Donk gewesen war, so widerspricht es den tatsächlichen Gegebenheiten. Diese Donk weist keine größere Höhe auf, als andere Donken  im Umfeld. Eher das Gegenteil ist der Fall. 

 

Es widerspricht auch den Befunden und Beschreibungen anderer Heimatforscher, der der Dong erst gar nicht die Bedeutung einer Donk zuschreiben, weil das Höhenniveau eben so unbedeutend erscheint.



 

So bleibt dann die andere Deutungsvariante übrig:    Die Richtung

 

Diese Interpretation vernachlässigt den Sinngehalt des ersten Teils des Namens Averdonk. Wenn es sich um eine Richtung "nach oben" (also im Norden liegend) in einem kartographischen Kontext handeln würde, dann müsste der Name ja nicht im ersten Teil aus der Beschreibung "hinter", sondern "davor" bestehen. Bei dem Hof Averdonk handelt es sich ja eben nicht um einen Hof, der auf, sondern hinter einer Donk liegt. 

 

Hier ist die Namensdeutung zu sehr aus der Neukirchener Perspektive gedacht.

Bekannt ist, dass der Averdunkshof ein Lehen des Xantener Stifts gewesen ist. Vielleich auch schon zuvor, aber spätestens ab dem Jahr 1225 bestand diese Abhängigkeit, denn die Kirche Repelen unterstand von da an dem Stift in Xanten.  Nun existierte zwischen Xanten und dem Averdunkshof keine direkte (Land-) Wegeverbindung. Die einzige Landverbindung, die beispielsweise für die Ablieferung des Zehnten zur Verfügung stand, war die, die durch Repelen führte. Von Xanten aus gesehen lag der Averdunkshof (wie für die Repelener ja auch) mit Erreichen der Ortschaft Repelen mithin hinter der Dong. Die Notationen des Konvents über die Zusammenhänge mit dem Averdunkshof (Lehensvergabe, Erbringung des Zehnten u. a. m.) erfolgte gewiss in Latein. Und hier finden wir die sprachlichte lateinische Entsprechung: "avers" (Rückseitig)

Alle diese Ausführungen verweisen auf eine Entstehungszeit des Averdunkshofes, die zumindest in die frühe Zeit der Repelener Besiedlungsgeschichte gehört. Insbesondere die Lage, weit abseits des Siedlungsklusters "Dorf Repelen", hinter dem Ende von Repelen ("Genend"), aber dennoch unzweifelhaft Repelen zugehörig, ist ein deutlicher Hinweis auf ein sehr frühes Entstehen des Averdunkshofes, das deutlich vor der ersten Jahrtausendwende gelegen haben dürfte. Möglichweise reicht die Historie des Hofes sogar noch viel weiter zurück, nämlich bis in die jungsteinzeitliche Prähistorie, weit vor dem Auftauchen der Römer am Niederrhein. Artefakte aus der Jungsteinzeit sind auf dem Gebiet der Grafschaft nicht unbekannt. Doch es spricht eben die Lage, unterhalb der Donk auf Neukirchener Gebiet eher mehr dafür, dass sich dieser Bauernhof später etablierte. Die allerersten Bauern in der Jungsteinzeit, werden sich zunächst die "Höhenlagen" (Donken und "Berge") zunutze gemacht haben. Ohne Entwässerungsmaßnahmen, die dort vor der 1. Jahrtausendwende ergriffen wurden, erscheint das Gelände für das Entstehen eines Bauernhofes an jenem Ort nicht wirklich prädestiniert gewesen zu sein. Die ersten Siedlungsspuren dürften in Neukirchen in dem Londongshof auszumachen sein, der einen naturgegebenen Hochwasserschutz mit sich brachte.

 

Da unverkennbar die Besiedlung des Neukirchener Raumes von Repelen aus stattfand und der Hof hinter dem Ende "Genend"befand, muss man mit einiger Gewissheit davon ausgehen, dass dieser Hof zu jenen gehörte, die schon in den römischen Beschreibungen zur "Terra Germanica" als die zumeist anzutreffenden Einzelhöfe bezeichnet wurden und deren Anfänge aber andererseits auch nicht zwingend in die römische oder vorrömische Zeit zu verorten sind. Hofgründungen von Einzelhöfen hat es selbstverständlich auch nach dem Auftreten der Römer noch gegeben.

 

Damit ist in groben Zügen die Entstehungszeit des Averdunkshofes in Neukirchen für den Zeitraum von etwa 700 - 1.000 n.Chr. zu vermuten.