1591                                                                                                                                  

 

Die Jahreszahlangabe 1591 in der Chronologie der Startseite bezieht sich

auf die Entstehungszeit der Karte zur Grafschaft von Gerhard Mercator,

der in diesem Text mehrfach erwähnt und zur Erklärung herangezogen wird.

 

Die Entstehungsgeschichte des Ortsnamens Oestrum

steht natürlich selbst nicht mit diesem Jahr in Verbindung.

Sie lässt sich einer konkreten Jahreszahl nicht zuordnen.

 


Der Ortsname "Oestrum"

 

Wofür steht dieser Begriff? 

 

           - Hat er was mit der Himmelsrichtung Osten zu tun?

 

Die naheliegende Deutung scheint hier nicht zuzutreffen.

 

Oestrum –

                       Ein Hinweis auf die Richtung Osten ? 

                                                                                                   Dieser  Deutung mangelt es erheblich an Plausibilität.

 

Die Frühgeschichte der Besiedlung des linken Niederrheins steht offenkundig mit ihren Anfängen in Rheinnähe im Zusammenhang. Anders ausgedrückt: Die Besiedlung ging von den höher liegenden Ufern des Rheins aus. Der im Osten fließende Rhein kann daher als Orientierung Richtung Osten als Namensursprung nicht infrage kommen. Oesterhem / Oestrum kann nach den heute vorhandenen geo- und topographischen Bedingungen nicht die Bedeutung haben, die sich bei dieser Bezeichnung aufdrängt. Würde man den Rhein, oder dessen Siedlungen, die auf der linken Seite liegen, als Bezugspunkte (– bei der Besiedlungsrichtung Westen -) annehmen, so müsste der Hof Oestrum ja dann eigentlich "Westrum" heißen. Die Ableitung des Ortsnamens von dem Wort "Osten" ist in diesem Sinn dann regelrecht  widersinnig. Das Gehöft, das - von Friemersheim oder Werthausen aus gesehen - im tiefen Westen entstand, einen Namen zu geben, der auf den Osten hindeutet, das überzeugt nicht.

 

Wenig überzeugt auch die Gleichsetzung im Wortursprung der beiden Ortsbezeichnungen "Asterlagen" und Oestrum, so wie sie als "Lehrmeinung" zur Zeit noch gilt.

 

Für Asterlagen ist zumindest die Himmelsrichtung "Osten" einigermaßen eine solche, für die es einen Bezugspunkt für die diese Himmelsrichtung gibt. Das im Westen liegende Asciburgium, bzw. Asberg, als römische Siedlung oder Kastell mag da hergehalten haben. Zu bedenken ist jedoch, dass nach den Kenntnissen über die Entstehung und Entwicklung des Begriffs "Osten" nichts auf eine Anlautungsverschiebung zum Vokal "A" (wie Asterlagen) hindeutet.

 

Im Westen von Oestrum ist in der Entstehungszeit von Oestrum über viele Kilometer kein Bezugspunkt vorhanden, von dem aus betrachtet, Oestrum im Osten lag. Dort gab es lediglich vereinzelte Höfe (z. B. Vennekinne - Vennikel), die mit dem Oestrumer Hof nicht in irgendwelchen bekannten Beziehungsabhängigkeiten standen. Nicht vom Westen, sondern Süden (Bergheim) oder auch vom Osten (Hochemmerich) aus dürfte die Initiative zur Besiedlung Oestrums ausgegangen sein.

 

Nun ist ja bekannt, dass der Verlauf des Rheins heute ein anderer ist,  als in der Vergangenheit. Mehrere Verlagerungen haben stattgefunden und die Vorstellung, der Rhein sei früher ein solcher Fluss gewesen, der sich – so wie heute –  in einem einzelnen Flussbett befunden habe, ist falsch. Mehrere Rheinarme mäanderten über das Gebiet der späteren Grafschaft Moers. Noch in der Römerzeit existierte der Haupt-Rheinarm, der weit westlich des heutigen Verlaufs schiffbar war. An diesem damaligen Haupt- Flussarm bauten die Römer das Kastell Asciburium, das die Keimzelle des Moerser Ortsteils Asberg wurde. Über eine Schleife, die sich durch den Essenberger Bruch zog, mündete dieser Flussarm dort, wo der Rhein in Höhe von Essenberg auch heute vorzufinden ist. Neben dieser großen Schleife bestanden weitere Arme, die auf weiteren zahlreichen Darstellungen noch nachvollziehbar sind. Auch noch die Karte Mercators zeigt einen weiteren Arm, der sich über die „Kulf“ (die Cölve“) an Moers vorbei, Richtung Norden zieht.

 

Für den Hof- und Ortsnamen Oestrum ist jedoch genau dieser Verlauf des Rheins von Interesse, der Asberg östlich tangierte und stromauf, nördlich von Oestrum nach Westen floss.

 

Die Karte von Mercator von 1591 weist auf diesen früheren Verlauf noch hin. Dort ist der „broecc“, also der „Bruch“ (der Verlauf des alten Hauptstroms) eingezeichnet. Die Zeichnung weist die Mündung des Arms bei Essenberg aus und das andere „Ende“ zeigt auf dieser Karte wie ein Pfeil auf die Ortschaft Oestrum.

 

 

 

 

(Bildquelle Landesarchiv")

Die sprachkundliche Deutung

 

Diese Analyse weist in eine ganz andere Richtung, als nach Osten. Sie weist dabei aber auch nicht in die anderen Himmelsrichtungen, sondern auf die topographische Situation in der Zeit der Besiedlung von Oestrum und auf einen völlig anderen - und zwar frühen etymologischen Ursprung.

 

Oestrum, neben dem offensichtlich höher gelegenen Bergheim, befand sich also zweifelsfrei in einer Bruchlandschaft, umflossen von Kendeln, die mit dem großen Nebenarm des Rheins in Verbindung standen, der auf der Mercatorkarte deutlich erkennbar ist. Erst mit der Verlandung des Rheinarms, der den Römern noch als fließender Limes gedient hat, dürfte das Gebiet von Oestrum besiedlungstauglich geworden sein. (ab Ende des 1. Jahrhunderts). Eine frühere Besiedlung des niedrig gelegenen Gebietes, das heute Oestrum heißt, muss wohl ausgeschlossen werden. Direkt nördlich davon floss ja dieser ehemalige Hauptarm des Rheins und so etwas, wie ein deutlich definierbares Ufer auf dem relativ tief gelegenen Areal Oestrums ist bei wechselnden Wasserpegeln nicht bestimmbar. Da der Prozess der Verlandung in der nachrömischen Aeral  kein plötzlich auftretender Prozess war, wie weiter nördlich bei der Überschwemmung Lindekums, fiel nach und nach immer mehr Land trocken und es entstanden Trockengebiete dort, wo das ehemalige Flussbett mit seinen benachbarten Auen nicht so tief gelegen hatte. Die Möglichkeit der Urbarmachung dürfte dann erst um das 4., 5. oder 6. Jahrhundert eingesetzt haben.  Der Hafen Asciburgiums wurde von den Römern wegen seiner Verlandung ca. 90 n. Ch. aufgegeben, während im Jahr 369 in Asberg noch ein Burgus von den Römern errichtet wurde, um sich der Überfälle der rechtsrheinischen Franken zu erwehren. Das deutet darauf, dass der Verlandungsprozess der Essenberger Rheinschleife am Ende des 4. Jahrhunderts noch nicht abgeschlossen war. 

 

Mit dem Fortschreiten dieses Prozesses dürfte mehr und mehr Gelände im Bereich Bergheim/Oestrum urbanisierungstauglich geworden sein, das bei Niedrig- oder Normalpegel der Essenberger Rheinschleife aus der Wasserfläche, bzw. der Bruchlandschaft herausragte. 

 

Anders ausgedrückt: Es entstanden Inseln (zumindest in Fall Oestrum eine und gerade eben jene).

 

Und mit einiger Wahrscheinlichkeit entstand in dieser vorkarolingischen Zeit die erste Behausungen auf dieser Insel, verbunden mit der dazugehörigen Orstangabe in dem Sprachstand der Zeit, in der sie entstand. Es ist zu beachten, dass es keine schriftsprachlichen Überlieferungen des Sprachstandes des hier beschriebenen Besiedlungsraumes gibt.

 

"Ende des 13. Jahrhunderts", so schreibt Friedrich Albert Meyer in seiner Abhandlung über die Rheinhausener Landnahme, "wurde ein Stück bruchen Landes ausgetrocknet und in Feld und Wiesen umgewandelt."

 

Solches ist auch für den Bereich Oestrum anzunehmen, allerdings offenkundig in einer viel früheren Zeit. Die Urbarmachung wird zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert gelegen haben. Bis zur ersten Jahrtausendwende war Osterhem noch Rheinarmanrainer.

 

Auf den Umstand, dass Oestrum anders zu deuten sein kann, als man vermuten sollte, weißt auch der Eintrag aus dem Urkundenbuch mit der Nr. 893 hin, der eine Urkunde aus der Zeit um 900 anführt. Dort, bei der es um den Güterbestand des Klosters Werden geht, ist Oestrum auf Seite 5 als "Aosterhem" bezeichnet. Dieses legt eine etymologische Verwandtschaft mit dem Begriff "Aue" nahe. Über die phonetische Bedeutung dieses Eintrags lässt sich verständlicherweise keine konkrete Aussage machen. Fest steht jedoch, dass sich die schriftsprachliche Vokalletterhäufung  altgermanischen Sprachen im Zeitverlauf abgeschliffen hat.

 

 

Auch Friemersheim, um das in der Werthschen Schenkung ging, ist, wie Meyer im o. g. Schrift anführt, zu Beginn des 9. Jahrhunderts noch eine Insel gewesen. Dabei führt jener allerdings aus, dass Unklarheit darüber herrscht, was denn nun unter Friemersheim zu verstehen ist. Nach seinen Analysen ist unter dem "Königshof Friemersheim" am wahrscheinlichsten der Borgsche Hof zu verstehen, der bekanntlich im Ortsteil Bergheim zu finden ist. Wirkliche Klarheit wird darüber vermutlich nicht mehr zu schaffen sein, da das Gewässersystem des Rheins des 9. Jahrhudert in der notwenigen Detalliertheit nicht mehr zu rekonstruieren sein dürfte.  Die Vorstellung, im Bereich der späteren Grafschaft Moers habe man es lediglich mit einem sehr dominanten Hauptstrom des Rheins zu tun gehabt, der nur von unbedeutenden Gewässern begleitet und gespeist wurde, ist jedenfalls eindeutig falsch. Bei Hochwasser verbanden sich die jeweiligen Wasserläufe zu riesigen Überschwemmungsgebieten. Auch wenn der Vergleich wegen der unterschiedlichen klimatischen Bedingungen ein wenig hinkt, hat der Rhein in der Zeit vor der ersten Jahrtausendwende mehr Ähnlichkeiten mit den urwäldlerischen Amazonasbecken gehabt, als mit dem heutigen Erscheinungsbild. Erst mit den Entwässerungsmaßnahmen, die etwa in der Mitte der ersten Jahrtausendhälfte eingesetzt haben dürften und mit den ersten Maßnahmen zur Eindeichung um die erste Jahrtausendwende begonnen wurden, wandelte sich dieses Bild. Das jedoch dann gravierend und nachhaltig. 

 

 

Der Borgsche Hof 

(Bild entnommen, Meyer, Friedrich Albert, Die Landnahme der Industrie im Rheinhausener Raum)

Deutlich zu erkennen: Das deutlich höhere Niveau des Plateaus des Hofgrundes. Ebenfalls erkennbar der davorgelegene Bruchkendel in der Höhenlage Oestrums.

Heutige topgraphische Angaben sind wegen des stattgefundenen Bergbaus nur noch bedingt tauglich zur Beurteilung der früheren geomorphologischen Situation.

( Topografische Karte Nordrhein-Westfalen, Höhe, Relief (topographic-map.com) 

Meyer erwähnt einen Höhenunterschied von ca. 8 Metern zwischen dem Borgschen Hof  und seinem Umland

 

Die Hochwasser-Gefährdungslage von Oestrum zeigte sich übrigens noch im Jahr 1799, als zwei komplette Scheunen von den Fluten fortgespült wurden.


 

Und so hier ist der Ursprung des Namens Oestrum zu vermuten:

 

Im niederrheinischen Sprachgebrauch des Mittelalters ist für diese Landschaftsform „Insel“ das Wort „Werth“ dominant gebräuchlich. Die Wurzeln dieses Begriffs liegen im Altfränkischen. 

 

Aber es gibt noch ein weiteres Wort, das die Landschaftsform Insel bezeichnet und das findet sich beispielsweise in den Begriffen „Eiland“, Norderney“ und anderen wieder. Diese Wort- bzw. Silbengruppe von  „Ey" und "Ei“ ist altgermanischen Ursprungs. Das Wort "Aue" gehört zur gleichen Wortfamilie.  Die Bezeichnungen „Ey“ oder „Oy“ konnten sich insbesondere im friesischen Raum durchsetzen, waren aber auch im mittelniederdeutschen Sprachgebrauch, und damit wohl auch in dem Gebiet präsent, das hier Thema ist. Aber auch die Formen "Oy" (siehe Orsoy) und "Oi" sind bekannt

 

Nun liegen die Buchstabenfolgen „O-e“ und „E-y“, bzw. "O-y" zwar recht weit auseinander, dennoch scheint eine synonyme Verbindung zu existieren! Einen Hinweis darauf finden wir wiederum auf der Karte von Gerhard Mercator, der ja den Sprachstand des späten 16. Jahrhunderts  und dessen niederländische (mittelniederdeutsche) Sprachwurzeln wiedergibt.

 

Auf der Karte ist Oestrum als „Oisterum“ eingezeichnet und das mag ein Verweis auf eine davor schon stattgefundene – aus früher Zeit tradierte - Schreib- und insbesondere Ausspracheweise sein.

 

Das Urkundenbuch der Herrlichkeit Krefeld und Grafschaft Moers, Band 1 verzeichnet für das Jahr 893 "Osterhem" als Besitzung des Klosters Werden in der Herrlichkeit Friemersheim. Die Wortendung "...hem" deutet dabei eher auf einen Einzelhof, als auf eine Siedlung. Die heutig gebräuchliche Endung "...um" ("Oestr...um") dürfte wohl eine lateinisierte Form sein. In der gleichen Urkunde wird Oestrum als "Aosterhem" bezeichnet. Auch diese Form deutet nicht zwingend auf einen Ursprung, der mit dem Wort "Osten" in Verbindung zu bringen ist. Vielleicht kommt diese heute vollkommen unbekannte Variante den damaligen topographischen Gegebenheiten sprachlich am nächsten. (Siehe oben zur Sprachfamilie "Ey/Ei und Aue") Belegbar ist jedenfalls die Lage Oestrums (zusammen mit dem Anhängsel Trompet) zwischen dem Altrheinarm der Essenberger Schleife und dem Schwafheimer Bruchkendel, der sich von Rumeln über Schwafheim (Aldenbruch/Cölve) in Richtung Moers zog.

 

 

Neben diesem Argumenten besteht noch ein weiteres Indiz: Es ist der Familienname „Oestermann“! *

Über einen Zeitraum von mehreren Hundert Jahren hat sich bei diesem Familiennamen die Schreibweise mit der Umlautung "OE" erhalten. Dabei war auch schon zu der Zeit des Auftretens dieses Familiennamens die alternative Schreibform mit einem "Ö" in anderen Begriffen durchaus usus. 

 

Es ist also der Familienname, der offenkundig in „Oisterum“ (Mercatorversion) seine Wurzeln hat. 

 

Ist die These richtig, dann bedeutet der Name Oestermann  soviel wie „Inselmann“. 

 

 - Oestrum  (Osterhem / Oesterhem) - würde dann für

"Insel- oder Auenhof" stehen. -

 

*(Der Seitenbetreiber steht über seine Vorfahren zum Namen Oestermann in direkter Verbindung)

 

 

 

Mehr über den Familiennamen Oestermann erfährt man über den nebenstehenden Link, der zum Oestermannshof in Vennikel führt.


Der Ursprung des Namens "Oestrum" ist mehrfach

Thema diverser Abhandlungen gewesen.

Auch Friedrich Albert Meyer,

der gründlichste Rechercheur zum Thema Rheinhausen

hat sich in seinem oben schon zitierten Werk geäußert. 

 

Hier ein Auszug:

An anderer Stelle, auf Seite 320 seines Werkes findet sich eine weitere Passage zum Werdener Lehen "Oestrum"

 

Auch in dieser Textstelle findet sich also die Namensvariation "Oysterhem". Datiert mit dem Jahr 1401.

 

Mit einiger Wahrscheinlichkeit sprach sich die Orts- und Hofbezeichnung Oestrum in der frühen Zeit etwa so wie "Oystrum" aus und der Name Oestermann wie "Oystermann". Und die Aussprache wandelte sich vermutlich später im Rahmen der bekannten Regeln der Lautverschiebung. Auch die Eintragung in dieser Passage, die für das Jahr 1200 verzeichnet ist, sowie die später folgenden, sprechen nicht prinzipiell dagegen. 

 

Die Schreibweise dieses Namens, die sich über Jahrhunderte fest an die schriftsprachliche Trennung der beiden Vokale „O“ und „E“ klammerte, anstatt sich an die sprachökonomische Form des Umlautes „Ö“ anzupassen, scheint darauf  hinzuweisen, dass der Name Oestermann sich im Ursprung anders aussprach, als eben die Lautung eines Namens „Östermann“.

 

 Eine Analogie dazu findet sich ja bezeichnenderweise genau so bei der Siedlung „Oestrum“, bei der sich genau so die Vokalabfolge von „O“ und „ E“ , anstelle der schlichten Umlautung "Ö"" bis in die Gegenwart erhalten hat. In der Zeit, in der Mercator die Karte der Grafschaft Moers zeichnete, war die Verwendung der Umlaute „Ä“, „Ö“ und „Ü“  selbstverständlich schon lange durchaus gebräuchlich. Auch Mercator kannte Umlaute. Für den Umlaut „Ä“ benutzte er in seinen Kartenwerken die lateinisierte Version „AE“. Der Vokal „E“ steht dann für die Umlautung und nicht für eine voneinander getrennte Aussprache der Vokale. Auf seiner Europakarte von 1606 ist Grönland als  „Groenland“  eingezeichnet. Die Möglichkeit, den Umlaut „Ö“ als „OE“ darzustellen, war ihm also geläufig.

 

Im Fall von Oestrum wich er jedoch davon ab und verwendete den Begriff „Oisterum“, also nicht "Oe" oder "Ö", sondern "Oi"

 

An dieser Stelle drängt sich die Frage auf: 

 

Warum tat er das ? Warum "Oi", anstatt "Oe" ?

 

War es vielleicht sogar seine eigene optische Wahrnehmung, die ihm die „Insellage“ von Oestrum vor Augen führte?

 

Einheitliche Schreibweisen gab es freilich in seiner Zeit nicht und die Regeln zur Wortgestaltung folgten einer Vielzahl von Regeln, die insbesondere mit der eigenen landschaftlichen Sprachfärbung zu erklären sind. Andere Schreibvarianten von anderen Wörtern scheinen dagegen nahezu vollkommen willkürlich.

 

Bei der Ausgestaltung von Karten, so wie es Mercator in einem ja wissenschaftlichen Interesse betrieb, ging es aber um das Bestreben der Abbildung von Wirklichkeit und um eine möglichst große Korrektheit, die sich primär am Urkundenmaterial orientiert haben dürfte und dort, wo dieses ihm nicht zugänglich war, auf mündlich zugetragene Überlieferungen zurückgegriffen haben dürfte. 

 

Mercator, der aus den Niederlanden nach Duisburg kam und dem die mittelniederdeutsche Sprachverwendung damit noch etwas näher lag, als den Grafschaftern, wird die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Oestrum“ vielleicht noch eher begriffen haben. Doch damit gelangt der Text etwas zu weit ins Spekulative und es ist ohnehin anzumerken, dass die Methodik der Onomastik (Namenskunde) selbstverständlich auch Grenzen hat. 

 

Aber es deutet eben sehr viel darauf hin, dass die schon lange vor Marcator etablierte Schreibweise "Oestrum" (oder Oystrum) eine ist, die auf einer vorangegangenen anderen Ausspracheweise fußte, die der ursprünglichen gesprochenen Wortbedeutung "Insel", entsprach.

 

 

Für den Seitenbetreiber ist es jedoch recht eindeutig, dass der Ortsname „Oestrum, wie auch der Familienname „Oestermann“ eher mit dem Bedeutungsursprung „Insel“ oder "Aue" in Verbindung zu bringen ist, als mit dem Wort „Osten“.

 

Die erste bekannte schriftsprachliche Belegung dieses Ortes Oesterhem als Siedlungsraum (13. Jahrhundert)  - also bereits mit Umlautung- erscheint ein ausreichender Anlass für die Annahme zu sein, die sprachliche Wurzel liege nicht in der Himmelsrichtung Osten. Die Besiedlungsrichtung vom Osten nach Westen ist ja hinreichend gut belegt und die Namensgebung eines im Westen liegenden Bereichs mit der Bezeichnung "Osten" ist daher unplausibel.  Irgendein zeitgenössischer im Westen liegender Bezugspunkt, von dem aus man nach Osten blickend (schon vor der 1. Jahrtausendwende) Oestrum nach der Himmelrichtung hätte benennen können, existierte nach derzeitigem Kenntnisstand nicht.  Damit unterscheidet sich die Siedlung Oestrum von der Siedlung Asterlagen, die östlich vom römischen Asberg lag und deren Namensgebung mit der "Richtung Osten" erklärbar ist.

 

 


Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle,

dass es auch eine fundierte andere Interpretation gibt,

die als anerkannter Standard gilt.

 

 

Der vielzitierte Hermann Thelen, Lehrer in Neukirchen und Kapellen führt dazu Folgendes aus:

 

OESTRUM

 

Hier haben wir in der ersten Silbe die Ableitung aus dem gleichen Wort "Aust", wie bei Asterlagen.

 

(Einschub des Autors zu Asterlagen:)

 

Im 9. Jahrhundert hören wir von einem "Asterlohon", während man im 12. Jahrhundert "Asterlo" schrieb. Will man zu diesem Wort den richtigen Weg einschlagen, so muss man auf den alten Waldnamen "Hasloh" aus dem 9. Jahrhundert zurückgehen.  ....  Das Vorwort "Aster" kommt von dem niederrheinischen Wort "aust" (althochdeutsch "oft" ? (>vermutlich Schreibfehler und wohl als "ost" gemeint<)Der Name "Aust" ist im Niederrheinischen umgewandelt worden  in "Ostan" oder Ostar. Demnach bezeichnet der Name "Asterlohon" ein ostwärts gelegenes "Loh" (Wald).

 

Weiter mit OESTRUM:

 

Die älteste Aufzeichnung aus dem 9. Jahrhundert nennt man "Osterhem". Im 10. Jahrhundert wird es "Aostarhem" genannt. . Da die Ableitungen von "Oster" und "hem" klar sind, so bietet sie uns keine Schwierigkeit mehr".

 

(Quelle: Heimatkalender für den Kreis Moers 1949)

 

 

Die Bewertung dieser Interpretation verlangt dem Leser

ein wenig Aufmerksamkeit ab:

 

Dabei ist auf die in dieser Interpretation angeführte Lautverschiebung zu achten, die ja intendiert, dass im 9. Jahrhundert die frühere Lautung für den Begriff "Ost, oder Osten" in der Silbe "Aust" gelegen hat. Erst später, so führt Hermann Thelen aus, habe sich aus dem "Aust" (wie im Ländernamen "Austria" auch zu finden") die lautsprachliche Silbe "Ostan", bzw. "Ostar" ergeben. Da sie aus einem späteren Sprachstand entspringen, kann die Deutung des Begriffs "Osterhem" als Himmelsrichtungsangabe im Grunde nicht stimmen, da ja - wie beschrieben - das Wort "Osterhem" bereits im 9. Jahrhundert eine schriftsprachliche Verwendung fand. (Damit also eine solche, die sich im 9. Jahrhundert noch gar nicht entwickelt hatte. Es wäre folglich ein zeitlicher Vorgriff von mindestens einem Jahrhundert gewesen auf eine sich später erst entwickelnde Sprachanwendung. 

 

Das Fehlen der Umlautung "Oe" in der ersten Erwähnung ist dabei vermutlich kein ausreichender Hinweis darauf, dass die Zweifel an der Deutung der Interpretation unberechtigt sind. In Ermangelung fester orthographisch Regeln in jener Zeit ist die Verlässlichkeit dieser ersten Angabe in Hinsicht auf die dazugehörige Lautung nicht aussagekräftig genug. 

 

Und wenn die ursprüngliche Form für den Begriff "Osten" im 9. Jahrhundert mit dem Anlaut "A", bzw. "Au" gewesen ist, so kommt der Zusammenhang mit dem Begriff "Osten" für "Osterhem" im 9. Jahrhundert also noch nicht in Betracht. 

 

Bei der annähernden Gleichzeitigkeit des Auftretens beider Ortsbezeichnungen von "Asterlagen" und "Osterhem" vor dem 8. Jahrhundert muss es eine lautsprachliche Differenz in den Eingangssilben zwischen diesen beiden Stadtteilen des heutigen Rheinhausen gegeben haben. Das bedeutet, dass die semantische Gehalte dieser Ortsnamen unterschiedlich gewesen sein müssen.