1739, Budberg

DIE TRAGISCHE GESCHICHTE VOM VERBRANNTEN KIND

 

Johan Henrich Impelmann war gerade 15 Jahre alt, als sich in der Nachbarschaft, auf Winkels Kate, eine Tragödie abspielte.

Am 27. Januar 1739, einem Dienstag, arbeiteten die Bewohner der Win­kelkate, ein sehr armes Tagelöhnerpaar, auf dem Hof eines benachbar­ten Bauern um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, denn der Ertrag der wenigen Grundstücke die zur Kate gehörten reichten für den Be­darf der Familie nicht aus. Nun hatten die Eheleute ein kleines, ge­rade erst 1 Jahr und 3 Wochen altes Mädchen mit Namen Anna-Marie­chen. Die meiste Zeit des Tages schlief das kleine Kind im Oberge­schoß des Hauses in einer alten Bettlade, vom Großvater behütet. Dieser, Jakob Zensen, hatte schon etliche Jahre auf dem Buckel, war schwerhörig und konnte nicht mehr richtig gehen noch stehen. An die­sem traurig grauen Januartag bemerkte der Großvater auf einmal Rauch, ohne zu wissen woher er kam. Da es in den alten Bauernhäusern immer ganz besonders feuergefährliche Ecken gab, suchte er sofort diese Gebäudeteile auf und versuchte die Quelle für den Rauch und Brandgeruch zu finden. Der Speicher, die Scheune und auch der Stall- und Wirtschaftbereich waren rasch durchsucht, so schnell es der alte Mann bewerkstelligen konnte. Doch endlich entdeckte er: Der Rauch drang aus dem Schlafraum der kleinen Marie. Er eilte nach oben, doch das Zimmer stand in Flammen und Rauch und ein Eindringen wäre der sichere Tod gewesen. Die herbeigeeilten Nachbarn konnten das Haus retten, doch kam für das Kind jede Hilfe zu spät. Direkt nächsten Tages kamen die Beamten und Richter des Budberger Gerichtes, die zum einen Teil aus Moers, und zum anderen Teil aus Rheinberg abgestellt waren, zu einer Besichtigung der Unglücksstelle zusammen und ver­suchten die Umstände zu erhellen. Da die "Bettlade völlig verbrand, und das darin gelegen gewesene Kind im Gesicht, an der rechten Sei­ten, so dann deßen rechtes Beinlein gleichfals halb gebrathen und der unterfuß schier gantz verbranndt außgesehen, am Hause aber ins­besondere außer dieser Cammer nichts beschädigt gewesen" war, so un­terzog man den alten Mann einem strengen Verhör. In seiner Angst, er würde zum Tode verurteilt, beteuerte er immer wieder seine Unschuld und versicherte, es sei überhaupt kein Feuer im Hause gewesen. Das war wohl nicht ganz richtig, aber das Gericht hielt ihn für "gehörlos und einfältig", und glaubte ihm seine Aussage, daß er das Kind nicht schreien gehört habe, und als er in die Kammer getreten wäre, sei das Kind schon erstickt gewesen. So mysteriös die Brandur­sache auch war, ein eindeutig Schuldiger war nicht auszumachen. Die Richter befanden darum, wie im alten Protokollbuch umständlich for­muliert ist, "daß Großvatter und Eltern eines guten ruffs, darzu als geringe taglöhner das brod kümmerlich suchen, und also zur Arbeit ausgehen müssen, des Kirchspiels vorsteher auch selbst die Empfind­lichkeit dieser Elteren, so dieselbe über diesen betrübten Zufall gehabt, umbständlich angerühmet haben, als were dieselbe vor dieses mahl aus besonderes bewegendes ursachen von der anbedrohten straffe zu entledigen, jedoch daß sie des verunglückte Kind dem herbringen gemäß nun mehro zu beerdigen, ins künfftige aber auf ihre Kinder ein wachsahmes Auge zu halten hätten, sehr ernsthafft anzuweisen" seien. Die Gerichtsherren hatten nämlich erkannt, daß weder die Eltern noch der Großvater verurteilt und auch nicht zur Bestreitung der Ge­richtskosten herangezogen werden konnten. Da aber auf Grund der Um­stände dieser Unglücksfall der restlichen Gemeinde zur Warnung die­nen sollte, wurde diese Geschichte veröffentlicht und ausgehängt. Dies war nun ein Amtsakt und alle entstandenen Kosten, das waren 15 Reichstaler und 53 Stüber, sollte dafür die Gemeinde übernehmen. Die Bauern wehrten sich, und stellten in einer Bittschrift an den preu­ßischen König klar, daß ein eindeutiges Verschulden der betroffenen Familie anzulasten und darum auch von dort die Kosten zu tragen seien. Diesen Aushang rissen unbekannte Hände ab. Nun hatten die Bauern aber den Fehler gemacht, sich nur an Moers bzw. den preußi­schen König zu wenden. Die rheinbergisch‑kurkölnische Hälfte des Ge­richtes nahm diese Handlungsweise zum Vorwand, eine Kränkung des Ge­richtes zu erkennen und wies die Bittsteller schon aus diesem Grund rundweg ab.

 

Quelle:

http://www.historische-daten.de/genealogie/deutsch/Familiengeschichte_Empelmann.htm#_Toc110532843