Wilhelms Leben

 

Wo genau Wilhelm geboren wurde, wissen wir nicht. Anzunehmen sind die Dörfer Eversael oder Vierbaum. Evangelisch getauft wurde er in Budberg und das Taufdatum ist auch bekannt. Es ist der 20.11.1793.

Hierhin brachte die ledige Mutter Gertrud Elisabeth ihren Sohn zur Taufe. Der Name des Erzeugers blieb jedoch ein Geheimnis. Auf den Eintrag der Taufpaten ins Kirchenbuch verzichtete der Pastor Neomagnus. Doch das war dem Kirchenmann, der nur spärlich Informationen hinterließ, nahezu die Regel. Anwesend gewesen sind gewiss die Mutter und deren Eltern

Johann Hartmann und Gertrud Rauen aus Eppinghoven.

 

 

 

Direkt neben der Kirche ist übrigens das Grabmal des Bischofs Wilhelm Roß, der in Berlin so eine Art von Kultusministeramt in Preußen innehatte und auf den im Rahmen der Recherche zur Familie noch einzugehen sein wird.

 

(Bildquelle Wikipedia)

 

Wie erwähnt, ist der exakte Ort (Budberg, Eversael oder Vierbaum), an dem Wilhelm das Licht der Welt erblickte, noch nicht herausgefunden. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass es im Hause der Eltern der Gertrud Elisabeth war und damit vermutlich auf dem Hartmannshof in der großen oder kleinen Hardt in Vierbaum. Da Gertrud Elisabeth als Magd beschäftig arbeitete, kann es aber ebenso gut auf dem Hof ihres Arbeitgebers gewesen sein, auf dem sie ihren Sohn gebar und hier wiederum spricht einiges dafür, dass es entweder der Schneewindhof (Nachbarhof der Hartmannskate) oder Haus Wolfskuhlen war.  (Leider alles zur Zeit noch Spekulation) Immerhin hatte wahrscheinlich dort der spätere Stiefvater - Johann von Dresch - gelebt und einem Eintrag des Kirchenbuches Baerl zufolge, war von der Familie von Dresch/Heisterkamp bewohnte Hof doch so groß, dass er einer weiteren Familie eine Heimstatt bot. Das Ehepaar Christian Reinhoff und Gerdrut Mingvis brachte 1756 die Tochter 1756 zur Taufe nach Baerl und im Taufbuch ist vermerkt: "Einwohner bei von Dresch". Da der Vater von Johann von Dresch - Friedrich Wilhelm von Dresch die Besitzung des Rittergutes Baerl zu diesem Zeitpunkt bereits nach einer Zwangsversteigerung verloren hatte, muss folglich die neue Bleibe ein anderer Ort, als das Rittergut Baerl gewesen sein und ein Umstand weist dann eben sehr konkret nach Vierbaum: Wilhelms Mutter stammte von dort. Hartmann und von Dresch/Heisterkamp waren also vermutlich Nachbarn.

 

Herauszubekommen war, dass Wilhelm in der Zeit von 1811 bis mindestens 1814 Soldat der französischen Armee gewesen ist und sich 1814 noch in Breslau aufhielt. Ob er am Russlandfeldzug Napoleons von 1812 teilnahm, ist nicht bekannt, aber durchaus sehr wahrscheinlich. 

 

 

(Breslau: hier ein zeitgenössischer Stich)

 

Als Grafschafter gehörte Wilhelm nicht den napoleonischen Truppen des Rheinbundes an.

Der linke Niederrhein war ja von Frankreich

annektiert und nicht - wie die andere Rheinseite - lediglich französisch besetzt.

Er trug also tatsächlich den Waffenrock der Franzosen. 

  

Als Angehöriger eines niederen Standes war er vermutlich Infanterist und man kann

ihn sich in seiner Kleidung wohl in etwa so

vorstellen, wie auf dem nebenstehende Bild darstellt.

 

Wilhelm heiratete nach seiner Rückkehr zwischen 1814 und 1817 an den Niederrhein 1817 Gertrud Lüllen und übernahm den Lüllenhof in Repelen.

 

Diese Heirat ist - vorsichtig ausgedrückt - bemerkenswert: Die Hoferbin des Lüllenhofes (der zugegebenermaßen nicht sonderlich groß war) heiratete den unehelich geborenen Sohn einer Magd, dessen Vater unbekannt war?

 

Das entsprach durchaus nicht den damals üblichen Usancen, da es auch unter den Bauern ein nicht unbegründetes Standesdenken gab. Wichtiger aber noch war, dass der Hofnachfolger normalerweise auch die Qualifikation für die Führung des Betriebes besitzen musste. Eine unbedingt nötige Kernkompetenz in diesem Sektor war in fast allen solchen Fällen das ausschlaggebende Argument. Und zu finden gewesen war dieses dann eben üblicherweise bei anderen Bauernsöhnen und gewiss nicht bei einem solchen jungen Burschen, der aus einer derart armseligen und unvollständigen familiären Situation stammte.

 

Noch geringer erscheint die Plausibilität dieser Heirat von dem Hintergrund der dreijährigen Abwesenheit Wilhelms, die durch seinen Militärdienst bedingt war. Kenntnisse über das Bewirtschaften von Bauernhöfen hat er in dieser Zeit von 1811 - 14 jedenfalls nicht erworben. Und sein (Stief-) Schwiegervater Johann Hendrich Lüllen wird ja bei der Partnerwahl der Tochter ein gehöriges Wort mitgesprochen haben. Immerhin hatte er dafür Sorge zu tragen, dass seine Stieftochter in gesicherten bäuerlichen Verhältnissen weiterleben konnte und das "Anhalten um die Hand der Tochter" konnte bei einer angenommenen Untauglichkeit auch mit einer Ablehnung enden. Dabei ging es im Übrigen nicht nur um die Sicherheit und Versorgung der Tochter (hier dann Stieftochter), sondern auch um die eigene Zukunft und die, der Ehefrau Margarethe Küppers. Zogen sich die alten Bauersleute aufs Altenteil zurück, so gab es ja keinerlei Rente. Die finanzielle Sicherheit der Altbauern hatte der Schwiegersohn zu gewährleisten.

 

Aber der (Stief-) Schwiegervater Johann Heindrich Lüllen (Bruder des leiblichen Vaters der Braut Gertraud Lüllen und 2. Ehemann von Gertrauds Mutter) gab dennoch, trotz der bisherigen Lebensumstände Wilhelms, seine Zustimmung.

 

Der adelige Name des Stiefvaters vom Wilhelm wird wohl kaum als ein dafür als Grund angesehen werden können, denn Wilhelms Stiefvater  (johann von Dreesch) besaß zwar noch das Adelsprädikat, war aber lediglich Tagelöhner und er war eben auch nur der Stiefvater. Und dessen Vater wiederum verzichtete sogar weitgehend inzwischen schon lange auf die Führung seines eigentlichen Namens mit Adelsprädikat und nannte sich nicht mehr Baron Friedrich Wilhelm von Dresch, sondern Wilhelm "Heisterkamp".

 

Was also sprach für Wilhelm als Hochzeiter und Hofnachfolger des Lüllenhofes?

Der Umstand, dass ein schon weiteres Mal der Name von Dresch schon im frühesten Leben des Wilhelm auftauchte (in Form des weiblichen Vormunds "Margarete von Dresch") und die Verbindung zwischen dem Namen Hartmann und dem Namen von Dresch doch etwas dichter ist, als es sich aus der dokumentierten Genealogie erschließen lässt? Die Antwort darauf müssen wird leider schuldig bleiben.

 Jedenfalls führte Wilhelm Hartmann im Juni 1817 seine Braut 

 

Gerdraut Lüllen in der Repelener Kirche vor den Traualtar und

 

die Brautleute gaben sich in Gegenwart des stolzen Brautvaters und in Gegenwart von Wilhelms Mutter und Stiefvater das Jawort.

 

Ob Gertrauds Mutter, Margarethe Küpper an diesem Tag noch unter den

 

Lebenden weilte und auch anwesend war, ist zur Zeit noch unklar.

 

Am 29.6.1817 erschien man - zusammen mit den Trauzeugen Peter Lenz und Peter Hufen vor dem Bürgermeister, der Wilhelm und Gerdraut dann amtlich zu Mann und Frau erklärte.

 

So wurde der dann der Exsoldat Wilhelm Landwirt und wahrscheinlich auch, wie sein Schwiegervater zuvor schon, auch Schäfer.

 

Wenig später gab es erneut Grund zur Freude, denn etwa im September 1817 wird Gerdraut Hartmann bemerkt haben, dass sie schwanger war. Doch es galt dann noch bis April 1818 zu warten. Der erste Sohn Johann wurde dann am 12.4.1818 getauft.

 

Im September 1821 gab es die nächste Taufe, denn es ward den beiden das Töchterchen Margret am 18.9.21 geboren. Das Dritte Kind - Heinrich - der am 14.1.1824 auf die Welt kam, schloss den Reigen der Abkömmlinge.

 

Ob die Eheleute Wilhelm und Gerdaut Hartmann bei den Hochzeit von seiner Halbschwesten zugegen waren, ist nicht gewiss aber bestimmt zu vermuten. Wilhelms Familien- und Verwandtschaftskreis war schließlich nicht sehr groß. Mit Sibille von Dresch, die 1800 geboren wurde, aber schon im Säuglingsalter im gleichen Jahr verstarb und Sophia von Dreesch, die 1825 Heinrich Leimkühler ehelichte, war der Familienverbund mit 2 noch lebenden Halbschwestern für damalige  Zeiten verhältnismäßig klein. Catharina von Dresch * 4.2.1798 in Budberg geboren, Tochter von Wilhelms Mutter und seinem Stiefvater, heiratete 1825 Everhard Vieg aus Repelen. Der Viegenhof ist nach Stand der Kenntnisse der älteste Bauernhof Repelens und als ehemaliger Rittersitz der Ritter von Repelen anzusehen.

 

Im Jahr 1822 galt es, Wilhelms Mutter Gertrud Elisabeth Hartmann , die in Baerl beerdigt wurde, zu Grabe zu tragen. Und 10 Jahre später  -1832 - versammelten sich die Familie und wohl auch die Repelener Nachbarschaft auf dem Friedhof, weil  Johann Hendrich Lüllen - Wilhelms Vorgänger als Hofbetreiber - verstorben war. 

 

Doch es gab in dieser späteren Zeit nicht nur traurige Anlässe zur Zusammenkunft.

Alle drei Kinder der Eheleute Wilhelm und Gerdraut Hartmann, geborene Lüllen heirateten.

 

Johann, der Erstgeborene, heiratete am 31.1.1839 Katharina Lisken und seine Schwester

Gritgen Hartmann, am 12.9.1847 Johann Heinrich Ricken.

 

Diesen beiden Ehen waren anscheinend keine Kinder vergönnt.

 

Zu Großeltern sie machte erst Heinrich, der am 24.12.1853 Sybilla Haubruck in Repelen geheiratet hat.

Henrich, der mit seine Ehefrau Sybilla nach Utfort gezogen war,

konnte 1854 den ersten Enkel (Wilhelm) vermelden.

 

Endlich wurde die Familie wieder größer und der Zuwachs setzte sich mit Tilmann 1856 fort.

Es folgten dann 1868, der aber früh verstarb, dann 1863 Gertrud und zum Schluss am 5.5.1868 

ein weiterer Johann. 

 

Wilhelm Hartmann, der Wilhelm, dem diese Seite gewidmet ist, hatte dann allerdings nicht lange

Gelegenheit, sich an diesem letzten Enkel zu erfreuen,

denn er starb kurz nach der Geburt des letzten Enkels.  Seine Ehefrau

Gerdrut folgte ihm etwa 10 Jahre später. Sie verstarb am 18.11.1868.

 

Als Wilhelm am 29.7.1858 verstarb und von seinen Nachbarn Heinrich Thelen und Wilhelm Geßmann tot vorgefunden wurde, gingen diese beiden - stellvertretend für die Witwe - zur Bürgermeisterei  und vermeldete dort das Ableben des Wilhelm Hartmann beim Bürgermeister Laakmann. Danach befragt, wer denn die Eltern des Wilhelm gewesen waren, gaben jene die Auskunft, es seien Johann Hartmann und Margarethe von Dresch gewesen.

 

Doch beide Auskünfte waren (wie ja oben ausführlich beschrieben) nicht korrekt und sie führten zu dann auch falschen Angaben in der Sterbeurkunde.

 

Johann, der vermeintliche Vater war in Wirklichkeit der Großvater Johann (und Vormund des Wilhelm) und Margarethe von Dresch übte ebenfalls die Vormundschaft für Wilhelm aus, als er noch ein keiner Junge war und eben ohne Vater aufwuchs. Seine ledige Mutter konnte die Vormundschaft nicht haben. Das sah das damalige Rechtssystem nicht vor.

 

Margerethe von Dresch konnte in den Recherchen bislang genealogisch noch nicht ausfindig gemacht werden, doch kann wohl kaum ein Zweifel daran bestehen, dass jene eine Verwandte des Barons Friedrich Wilhelm von Dresch gewesen sein muss. (vermutlich Schwester oder Schwägerin oder womöglich eine Schwiegertochter, falls der Bruder des Stiefvaters von Wilhelm -Wilhelm von Dresch *1742 verheiratet gewesen ist.)

 

Es bestand als schon frühzeitig eine Verbindung zwischen der Familie Hartmann und der Familie von Dresch, noch bevor Gertrud Elisabeth Hartmann (Wilhelms Mutter) 1797 Johann von Dresch (Wilhelms späterer Stiefvater) ehelichte. Warum denn nun ausgerechnet eine Margarethe von Dresch die Vormundschaft über einen Jungen aus Vierbaum übernahm, der 4 Jahre später - dann  als Stiefsohn - in die Familie von Dresch aufgenommen wurde, genau das gibt Raum für Spekulationen. 

 

Margarethe von Dresch - wie auch immer sie in die Familie von Dresch einzuordnen ist - war ja eine Frau. Und sie gehörte ja auch nicht der Familie Hartmann an. Beide Umstände werfen Rätsel auf.

 

Dass eine Frau die Vormundschaft für einen Kind erhielt, dessen Vater unbekannt war, stellte in dieser Zeit ein Novum dar. Schließlich war weit und breit von Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern nichts zu sehen und die Frauen besaßen nur eine äußerst eingeschränkte eigene aktive Rechtsfähigkeit. Sie kann nur sehr beschränkt in Rechtsfragen für ihr Mündel Wilhelm rechtsverbindlich eingetreten sein. Das mag in diesem Fall zwar ein wenig ausgeprägter gewesen sein, da sie aus einem Adelshaus stammte, doch wie sehr dieser Umstand in einem Nutzgewinn für das Kind Wilhelm mündete, um dessen Rechte zu vertreten, ist dennoch mehr zweifelhaft, als naheliegend.

 

Als völlig abnorm anzusehen ist das Faktum, dass nicht ein anderer Angehöriger der Sippe Hartmann die 2. Vormundschaft bekam, sondern eine Nicht-Blutsverwandte. Ob die beiden Brüder von Wilhelms Mutter (Goerdt und Wilhelm) noch lebten, als es um die Frage ging, wer neben dem Großvater die zweite Vormundschaft ausüben sollte, konnte bislang noch nicht festgestellt werden. Aber diese Sippe existierte zumindest auch unter dem ursprünglichen Namen Kuckuck weiter. Andere Einträge im Baerler Kirchenbuch mit diesem Namen als Paten, beweisen das. Es sollte also dann doch eher angenommen werden dürfen, jemand aus der eigenen Verwandtschaft wäre eher infrage gekommen. Doch so war es eben nicht und das legt den Verdacht nahe, dass Wilhelm nicht lediglich ein Stiefkind des Hauses von Dreesch gewesen ist.

 

In allen anderen Fällen bei der Ahnenforschung, bei denen es um Vormundschaft ging, ist dem Seitenbetreiber kein einziger begegnet, in dem ein "Fremder", und erst recht nicht eine "Fremde" dieses Amt übertragen bekommen hat. Es ist gewiss, dass nichts Grundsätzliches gegen eine solche Regelung sprach, doch sie entsprach eben überhaupt nicht den Gepflogenheiten. Was also war der Grund für diese Vormundschaftswahl?

 

Friedrich Wilhelm von Dresch, der den Rittersitz Baerl wegen Überschuldung verlor, kann nicht der (unbekannte) Vater von Wilhelm Hartmann gewesen sein, denn jener war bereits 1769 verstorben. Aber sein Sohn - Johann - war vielleicht doch nicht nur der Stiefvater des Wilhelm. Das ist eine Frage, die sich möglicherweise noch klären lässt.