Lüllenhof in Repelen

Der Lüllenhof - nördlich des Dorfes  Repelen - existiert nicht mehr.

 

Dort, wo er bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts  stand, rollen heute unzählige Fahrzeuge auf der A 42 von Duisburg nach Kamp-Lintfort, oder eben in umgekehrter Richtung. In nördlicher Richtung verläuft die Straße "Hoher Weg", die vom Ortskern Repelens Richtung Norden nach  Baerl führt. Die A 42 ist auf diesem Nachher-Vorher-Foto oben  in der Waagerechten zu sehen. Darunter verläuft die Verbandsstraße.

 


Über den Lüllenhof ist recht viel bekannt.

 

Das meiste, das hier dargeboten wird, ist dem Heimatforscher und ehemaligen Archivar in Baerl, Herrn Hans-Peter Stermann zu verdanken.

Die familiäre Verbindung:

 

1817 heiratete Wilhelm Hartmann - *1793 in Budberg - in den Lüllenhof ein. Es handelt sich bei ihm um meinen 3-fachen Urgroßvater und damit seine Ehefrau, Gertraud Lüllen *1793, um meine 3-fache Urgroßmutter.

 


Über den nebenstehenden Link gelangt man zu einer Karte (online bereitgestellt vom LAV) aus dem Jahr 1793, die die Grundstücksverhältnisse nördlich von Repelen abbildet. Die Karte ist nicht "eingenordet", so dass das südlich gelegene Dorf Repelen auf der rechten Kartenseite und der Norden auf der linken zu sehen ist. Das Lüllengrundstück trägt die Nummer 15 und befindet sich im bräunlich eingefärbten Teil im Bereich "Huck und Hagenend". Viele andere Namen, die mit der Familie verbunden sind, sind ebenfalls auf dieser Karte verzeichnet.

                                                                                

 

                                                                                         Die Geschichte

 

Soweit bekannt, fand der Lüllenhof seine erste urkundliche Erwähnung 1472 . In diesem Jahr wurde er, zusammen mit seinem ersten bekannten Aufsitzer "Claus Lulken" in einer Schadensliste genannt. Die gefundenen Schreibweisen variieren:

 

Lulken, Lull, Lüll, Lüllen, Löll, Luill, Lölken, Löllen.

Zuletzt war er als Lüllenhof benannt, bevor er Hartmannshof genannt wurde. 

 


Über die Abfolge der Hofbetreiber gibt der nebenstehende Button Aufschluss.


 Bis zum o. g. Claus Lulken lässt sich die genealogische Abfolge nicht belegen. Mit einer nicht unerheblichen Wahrscheinlichkeit dürfte auch jener zur dargestellten Sippe gehören. Doch nachweisbar ist das eben nicht, denn ein zwischenzeitliches Aussterben der ersten Familie ist ebenso denkbar, wie eine Neubelehnung des Hofes an eine andere Familie aus anderen Gründen. Die Kontinuität des Nachnamens ist für eine Verwandtschaft leider kein verlässlicher Hinweis, denn Höfe oder Katen gaben meistens (mit Ausnahme bei den Erstbesitzer) den Bewohnern ihren Namen und nicht umgekehrt. Angesichts des Faktums, dass sich dieser Hof seit der Zeit um 1600 über 400 Jahre lang im Besitz ein- und derselben Familie befand, ist die Annahme, Claus Lulken sei auch ein Vorfahr, sicher keineswegs abwegig.

 

Der früheste genealogisch nachgewiesene Vorfahr, dessen Nachname bekannt ist,  war Arendt Lüllen, der im 16. J. geboren sein muss und 1650 verstarb.  Seine Ehefrau, die bereits 1619 verstorben ist, trug den Vorname Lisbeth. Deren Nachnamen  kennen wir nicht und wir werden ihn wohl leider nie erfahren.

 

Aber dank einer überaus Lesenswerten Internetseite  haben wird einen Bericht aus dem Leben des Arendt. Es ist eine unglaublich detailreiche Darstellung tragischer Geschehnisse in Budberg, bei denen der Mevis Wolters zu Tode kam. Arendt Lüllen wurde Zeuge dieses Vorfalls der auf der Unterseite "Der Tod des Steuereinnehmers " (siehe dort) beschrieben ist.

 

Arendt Lullen (mein 11-facher Urgroßvater) taucht in den Akten in den Jahren 1611 und 1619 als Belehnter des Hofes auf und aus diesen Unterlagen erfahren wir, dass es sich um einen verhältnismäßig kleinen Hof handelte. In der ersten Urkunde heißt es dazu, dass:

 

ein 6 Morgen großes Stück Ackerland zu Lehen per 2 Hände zu 8 1/2 Gulden und einen guten Hammel

von den Kirchenmeistern Cordt Vogelsanck und Henrich in gen Vinne vergeben wird.

 

(Die "Behändigung" ist der Übertrag der Lehensrechte an den Lehensnehmer.) Die andere Hand , also die andere, als des Arendt, ist die, der Ehefrau Lisbeth. Da jene bereits 1619 verstarb, ging diese "Hand" an den Sohn Laurent über. Da diese Rechtsakte auch schon damals erheblich Kosten verursachten, ersparte man es sich, das Rechtsgut auf den überlebenden Ehepartner zu übertragen. (Aus anderen Hofakten wissen wir, dass vielfach die "Behandigung" vom Großvater auf den Enkel aus genau jenem Grund überging.) 

 

Das Lehen, das 1611 und 1619 vergeben wurde, war ein Kirchenlehen der Kirche in Repelen.  Ohne den Allmendebesitz, der zum Hof gehörte, erscheint die Größe kaum als ausreichend bewirtschaftbar anzusehen sein. 

 

Es ist vermutlich der geringen Größe des Hofes zuzuschreiben, dass einer der späteren Aufsitzer und Nachkomme - Jan Lüll *1766 als Schäfer arbeitete.

 

1650 ließ Dirrick Lüllen die "Hand" seines verstorbenen Schwiegervaters auf seinen ältesten Sohn Johann übertragen. Der Vorname der Ehefrau des Dirrick Lüllen ist leider ebenfalls nicht überliefert.

Vollzogen wurde dieser Akt von den damaligen Kirchenmeistern Gerrit Dungman und Johann Mönnick. 

 

Etwas Kirchenland des Lüllenhofes ging dann 1662 an Berent und Tryne Houven über. Bei diesen beiden handelt es sich um das Ehepaar, das den benachbarten - nord-westlich gelegenen Hof - bewirtschaftete, der auch heute noch existiert und als Gaststätte Hufen bekannt ist. Diese beiden Höfe befinden, bzw. befanden sich auf einem Flecken Erde des Kirchspiels Repelen, der Hagend genannt wurde.

 

im Februar und März 1740 wurde der Niederrhein von einem Rheinhochwasser heimgesucht. Sogar in Moers stand das Wasser meterhoch. Also nicht nur rheinnahe Gebiete waren betroffen und auch Repelen wurde nicht verschont.

 

Im Oktober 1760 wird Aufregung auf dem Lüllenhof gewesen sein.

 

Bis zum 15.10.1760 gab es einen gewaltigen Aufmarsch französischer Truppen. Rund 20.000 Soldaten hatten sich bis zum Kamper Bruch vorgeschoben und trafen dort auf eine umfangreiche Allianz gegnerischer Truppen mit etwa 25.000 Soldaten. 

 

Die Familie Jan Hendrich Lüllen und Gerdrut, geborene Seiltgen aus Neukirchen, zusammen mit den Kindern Peter, der 1755 geboren wurde, Johann Hendrich *1756 und Johannes * 1759 werden unzweifelhaft von diesen Truppenbewegungen etwas mitbekommen haben. Die französischen Truppen hatten sich aus südlicher Richtung dem Kamper Bruch genähert und ein Blick auf die Karte verrät, dass die französische Soldateska durch Repelen, oder zumindest unmittelbar an Repelen vorbei gekommen sein muss. 20.000 fremde Soldaten mit Pferden und Geschützlafetten, das muss Eindruck, ja Angst gemacht haben.

 

Die Franzosen sahen sich bei der Konfrontation mit ihren Gegnern einer zahlenmäßigen Übermacht und einer heterogenen Zusammenstellung von verschiedenen Armeen gegenüber. Unter dem Oberbefehl des Ferdinand von Braunschweig hatten sich englische, kurhannover-braunschweigische, zusammen mit Truppen aus Preußen und aus Hessen-Kassel von Wesel aus auf den Weg gemacht, die Okkupation der Franzosen zurückzudrängen. Im Kamperbruch trafen die Armeen aufeinander.

 

Die Schlacht am Kloster Kamp

 

Am 15.10.1760 brach das Donnerwertter los. Den Kanonendonner wird die Lüllenfamilie, die ja auch noch aus den Altbauern Johannes Schnibben gen. Lüllen und Tringen Lüllen bestand, zweifellos mitbekommen haben, ebenso wie die übrigen Bewohner Repelens, Camps, Vierquartierens und andere Orte im Umfeld. 

 

Die zur Allianz gehörenden schottischen Highländerregimenter erzielten zwar temporäre Teilerfolge, wie die britische Kavallerie auch. Doch die Preußen und ihre Verbündete unterlagen in dieser einen der beiden Schlachten des 7-jährigen Krieges am Niederrhein und mussten über den Rhein zurückweichen. Die Franzosen blieben und machten den Grafschaftern das Leben schwer. Das galt aber auch schon vor diesem denkwürdigen Tag. Schon ab 1758 hatten die Franzosen die Grafschaft besetzt.

 

Das Urkundenbuch der Grafschaft Moers und Herrlichkeit Krefeld hält für das Jahr 1759 fest:

 

Requisitionen der von den Franzosen eroberten Provinzen Geldern, Kleve, Mark und Mörs;

diese erklären sich zur Zahlung eines monatlichen Fixums an den Intendanten.

 

Gemäß der Liste für die Beiträge für die französische Brandschatzung von 1797 betrug die Größe des HofesLüllen dann 14 Morgen und der dafür zu entrichtenden Beitrag belief sich auf 14 Reichstaler.

 

Akribisch hat Hans-Peter Stermann die Aufsitzerfolge und vieles andere ermittelt und in seinem Buch "Alt-Grafschafter Bauerngüter" im Selbstverlag detailreich abgebildet. Aber auch andere Quellen verraten einiges. So - zum Beispiel - ist in dem Genealogiebuch des Günther Ellenberger aus dem 19. Jh. entnehmen, dass Johannes Schnibben, gen. Lüllen, Ehemann von Trintgen Lüllen, der Ur-Ur-Ur- Urenkelin des oben genannten Arendt Lüllen, am 12.3.1768 ertrunken ist. 

 

Über dessen Lebensumstände und das seiner Familie steht ein wenig mehr auf der Unterseite Naturgewalten.

 

Die Lüllensippe hat sich im Grafschafter Raum ausgebreitet und ist in der Zeit der ca. 400  Jahre  in Baerl, Homberg, Friemersheim, Hochemmerich, Neukirchen und Vluyn aufgetaucht, während sich der Hofname "Lüllen" ab etwa 1820 mehr und mehr verlor, nachdem Wilhelm Hartmann dort eingeheiratet hatte. Immer mehr bürgerte sich der Hofname "Hartmann" ein, bis die letzte Hofinhaberin dieses Namens, Elisabeth Hartmann 1933 den Kraftwagenfahrer Johann Möllenbruck heiratete. Auch die Nachbarschaft der Familien Lüllen und Hufen blieb über  Jahrhundert erhalten.

 

Der Sterbeurkunde des Wilhelm Hartmann ist zu entnehmen, dass die Nachbarn Heinrich Thelen und Wilhelm Geßmann den Tod des Wilhelms am 29. Juli 1858 beim Repelener Bürgermeister Michael Laakmann anzeigten und dabei falsche Angaben zu den Eltern des Verstorbenen machten.

Sie nannten anstelle des ja unbekannten  Vaters, den Großvater als Vater und als Name der Mutter, nicht den Namen der Mutter des Wilhelm. Sie gaben an, Margarethe von Dreesch sei die Mutter gewesen. Der Großvater - Johann - und jene Margarethe von Dreesch waren jedoch lediglich die Vormünder, da die Mutter - Gertrud Elisabeth Hartmann -   als unverheiratete Frau die Vormundschaft nicht innehaben durfte. Die fälschlich als Mutter angegebene Frau von Dreesch wird mit Sicherheit der verarmten Adelsfamilie angehören, in die Wilhelms Mutter als ledige Mutter  einheiratete, doch genealogisch konnte Magarethe von Dresch bislang noch nicht ausfindig gemacht werden. (Aber vielleicht ist das auch nur der zweite Vorname der Stief-Stief-Großmutter - Trintgen Heisterkamp -, also der 2. Ehefrau des Vaters des Stiefvaters des Wilhelm.) Manches ist halt noch ungeklärt.

 

Bei der Recherche zu dem Namen Lüllen - im Rahmen der Ahnenforschung - hat sich übrigens ein überaus seltsames Kuriosum herausgestellt. Träger dieses Namens haben signifikant häufig Ehepartner genommen, die vorehelich oder außerehelich zur Welt gekommen sind. Mein eigener Urgroßvater Wilhelm Hartmann, dessen Vater unbekannt ist, gehörte ja ebenfalls dieser Gruppe an.